Vegane Ernährung in der Schwangerschaft, Stillzeit und danach

"Vegane Ernährung in der Schwangerschaft kann schwere Folgen haben."

"So gefährlich ist vegane Ernährung für Kinder."

 "Baby starb an veganer Ernährung."

Das ist nur ein Best-of der Schlagzeilen die immer wieder durch die Medien kursieren. Doch was ist dran an diesen Vorurteilen und der Skepsis gegenüber veganer Ernährung in der Schwangerschaft? Ich habe mit der Ernährungsexpertin der Vegane Gesellschaft Österreich gesprochen!

Diese Schlagzeilen stehen meist über schlecht recherchierten, subjektiven Artikeln unseriöser Klatschblätter die grundsätzlich nicht viel Positives gegenüber veganer Ernährung zu berichten haben.

Wenn vegane Eltern ihr Baby mit Hafermilch oder Trockenobst und Nüssen ernähren und trotz Untergewicht keinen Arzt aufsuchen, hat das nicht mehr viel mit vegan zu tun sondern höchstens mit absoluter Fahrlässigkeit.

Vegan steht allerdings fett in der Schlagzeile, prägt sich dementsprechend in die Köpfe ein und feuert die Panikmache zusätzlich an.

Ich kann mich im Gegensatz dazu allerdings nicht erinnern jemals gelesen zu haben: "Texas: 19-Jährige Fleischesserin lässt Kinder 15 Stunden im Auto – Hitzetod". Hier ist das Essverhalten der Mutter für das Zustandekommen dieser furchtbaren Tragödie jedoch genauso nebensächlich wie im Falle der veganen Eltern.

An der Stelle möchte ich auf diesen Artikel hinweisen, der anschaulich erklärt, warum es absurd ist von veganen Eltern zu verlangen ihr Kind nicht vegan zu ernähren, schlicht und einfach nur weil es die gesellschaftliche Norm ist Fleisch zu essen.


Vegane Ernährung in der Schwangerschaft und danach - im Interview mit katharina Petter

Um mit vielen Vorurteilen und der Skepsis gegenüber veganer Ernährung in der Schwangerschaft, Stillzeit und danach aufzuräumen, habe ich Mag. Katharina Petter, Ernährungsexpertin der Veganen Gesellschaft Österreich, um ein Interview gebeten.

Katharina Petter studierte Ernährungswissenschaften an der Universität Wien und lebt seit über 20 Jahren vegan. Seit 2007 ist sie als Ernährungsexpertin der Veganen Gesellschaft Österreich tätig.

Gleich zu Beginn die Frage, die viele wahrscheinlich am brennendsten interessiert: Ist eine vegane Ernährung während der Schwangerschaft überhaupt problemlos möglich?

Eine vegane Ernährung während der Schwangerschaft ist nicht nur problemlos möglich, sondern sogar ausgesprochen gesund, sofern auf eine ausgewogene, vollwertige Lebensmittelzusammenstellung und die Versorgung mit allen essentiellen Nährstoffen geachtet wird.

Das zeigen nicht nur inzwischen zahlreiche vegane Kinder, die sich sehr gut entwickeln, sondern bestätigt auch die Academy of Nutrition and Dietetics (A.N.D.), die weltweit größte Fachgesellschaft für Ernährung: Sie hält eine gut geplante vegane Ernährung für alle Lebensphasen und ausdrücklich auch während Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit für geeignet.

Zudem sieht sie gesundheitliche Vorteile in der Prävention und Therapie von bestimmten Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und bestimmten Krebsformen.

Obwohl vegane Ernährung immer populärer wird, bestehen gegenüber veganen Schwangeren und vegan ernährten Kindern aber nach wie vor sehr viel Skepsis und Vorurteile. Woher denkst du kommt das und wie kann man damit umgehen?

Diese Skepsis besteht interessanterweise besonders im deutschsprachigen Raum, während in vielen anderen Ländern wie den USA, Kanada, Australien, Portugal und den Skandinavien eine vegane Ernährung auch in diesen speziellen Lebensphasen offiziell befürwortet wird.

Ein Problem besteht darin, dass es noch nicht viele wissenschaftliche Studien in diesem Bereich gibt. Hier wurde außerdem viel durcheinandergebracht – so bezieht sich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung auf Studien mit makrobiotisch ernährten Kindern, wenn sie über vegane Kinder spricht. Eine makrobiotische Ernährung, die großteils aus Getreide besteht, wenig Rohkost enthält und Nahrungsergänzungsmittel ablehnt, ist jedoch weit entfernt von einer ausgewogenen veganen Ernährung.

Hinzu kommt, dass es Berichte über einige wenige Einzelfälle gibt, in denen Kinder an Vitamin-B12-Mangel litten oder überhaupt mangelernährt wurden. Medien bauschen solche Fälle dann häufig in schlecht recherchierten Artikeln auf ohne zwischen veganer Ernährung und anderen Faktoren zu differenzieren.

Anstatt sich davon verunsichern zu lassen, sollte man sich mit Hilfe fundierter Quellen wie dem Positionspapier der A.N.D. gut informieren, auf die Zufuhr aller essentiellen Nährstoffe achten und den Gesundheitszustand in Form von Bluttests und ärztlichen Untersuchungen überprüfen lassen.

Auch der Austausch mit anderen veganen Eltern kann hilfreich sein. Mit anderen veganen Eltern kann man beispielsweise ganz leicht über regionale Facebook-Gruppen in Kontakt treten.

Gibt es Nährstoffe, auf die man als vegane Schwangere besonders achten sollte?

Veganerinnen sind mit vielen Vitaminen besser versorgt als Allesesserinnen – das gilt ganz besonders auch für Folsäure. Dieses Vitamin ist für Frauen, die schwanger sind oder es werden wollen, sehr wichtig, um Neuralrohrdefekten vorzubeugen. Daher sollten Schwangere darauf achten, viel Vollkornprodukte und Gemüse zu essen. Wie für alle Veganer:innen ist gerade auch während der Schwangerschaft eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B12 notwendig. Es kann bei einer pflanzlichen Ernährung nur über Supplemente, angereicherte Produkte oder Spritzen zugeführt werden. Auch Vitamin D muss supplementiert werden, sofern es nicht ausreichend durch Sonneneinstrahlung vom Körper gebildet wird. Zudem sollte die Versorgung mit Eisen, Kalzium, Omega-3-Fettsäuren sowie Jod und Zink sichergestellt werden.

Wie sieht es mit Schwangerschaftsvitaminen und Supplementen aus?

Mulitvitaminpräparate, die von vielen omnivoren Schwangeren eingenommen werden, sind für vegane Schwangere nicht sehr sinnvoll. Der Fokus liegt bei diesen Nahrungsergänzungsmitteln auf Folsäure, mit dem Veganerinnen wie gesagt deutlich besser versorgt sind. Häufig sind diese Präparate auch nicht vegan, da beispielsweise Fischöl oder aus Wollfett gewonnenes Vitamin D3 enthalten ist. Empfehlenswert ist hingegen eine gezielte Versorgung mit für Veganerinnen kritischen Nährstoffen, speziell Vitamin B12, Vitamin D und Algenöl/-kapseln (enthält die Omega-3-Fettsäure DHA).

Ob die anderen kritischen Nährstoffe (s.o.) auch supplementiert werden, sollte individuell je nach Lebensmittelauswahl und Versorgungszustand entschieden werden. So kann Jod beispielsweise in Form von Algen, jodiertem Speisesalz oder Supplementen zugeführt werden. Kalzium kann zwar durch Lebensmittel wie grünes Gemüse, Tofu, Mandeln und Sesam sowie kalziumreiches Mineralwasser aufgenommen werden, doch um auf die notwendige Menge zu kommen können dennoch angereicherte Pflanzendrinks und Supplemente hilfreich sein.

Auch eine mögliche Eisensupplementierung sollte auf den individuellen Bedarf abgestimmt sein.

Welche Werte empfiehlt es sich während der Schwangerschaft im Blutbild genauer unter die Lupe zu nehmen und auswerten zu lassen?

Um den Vitamin-B12-Status zu überprüfen, sollten idealerweise Holotranscobalamin (oder alternativ Methylmalonsäure oder Homocystein) gemeinsam mit Vitamin B12 bestimmt werden. Ferritin, der Eisenspeicher, sollte immer zusätzlich zum Eisenwert getestet werden. Wichtig ist ebenso der Vitamin-D-Status. Zusätzlich ist die Überprüfung von DHA, Jod, Zink und Folsäure sinnvoll.

Wenn das Kleine dann geschlüpft ist, gibt es für die Ernährung der frisch gebackenen veganen Mama während der Stillzeit etwas besonderes zu beachten?

Wie bereits in der Schwangerschaft ist der Bedarf an Energie, Vitaminen und Mineralstoffen während der Stillzeit erhöht. Wichtig sind somit auch hier eine abwechslungsreiche, vollwertige Ernährung und Lebensmittel mit einer hohen Nährstoffdichte.

Im Vergleich zur Schwangerschaft hat Folsäure keinen so hohen Stellenwert mehr. Weiterhin sollte aber unbedingt auf die Einnahme von Vitamin B12 sowie die ausreichende Versorgung mit Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren geachtet werden.

Gibt es auch pflanzliche Säuglingsnahrung, falls das Baby nicht gestillt wird bzw. werden kann?

Muttermilch ist die ideale Nahrung für Babys, weil sie alle Nährstoffe enthält, die das Kind benötigt. Gerade bei der veganen Ernährung ist daher das Stillen immer vorzuziehen, sofern keine medizinischen Gründe dagegen sprechen.

Sollte Stillen dennoch nicht möglich oder gewollt sein, gibt es vegane Alternativen auf pflanzlicher Basis.

Hierzu zählt Lactopriv von Töpfer (auf Sojabasis) sowie Prémiriz auf Basis von Reisprotein.

Wie sieht dann die vegane Ernährung von Kindern im ersten Lebensjahr aus? Worauf ist zu achten?

Mindestens die ersten 4 – 6 Monate sollte voll gestillt werden. Dann kann langsam Beikost eingeführt werden.

Hier eignet sich zunächst Gemüsebrei mit etwas Raps- oder Leinöl, dem nach einiger Zeit Kartoffeln, später auch Getreide oder Hülsenfrüchte hinzugefügt werden. Zur Proteinversorgung (ab 7 – 10 Monaten) eignen sich pürierte Hülsenfrüchte, pürierter Tofu, Sojajoghurt sowie weiche Samen- und Nussmuse.

Spätestens mit der Einführung von fester Nahrung muss Vitamin B12 supplementiert werden. Außerdem muss der Säugling von Geburt an mit Vitamin D ausreichend versorgt werden.

Brauchen Kinder grundsätzlich Fleisch und Milchprodukte um gesund groß zu werden und sich gut zu entwickeln?

Kinder können sich sehr gut ohne Fleisch und Milchprodukte entwickeln, wie inzwischen zahlreiche vegane Kinder zeigen.

Wie bei Schwangerschaft und Stillzeit gilt jedoch auch hier: Voraussetzung ist eine vollwertige, abwechslungsreiche Ernährung und die Sicherstellung aller essentiellen Vitamine, Mineralstoffe, Amino- und Fettsäuren. Vitamin B12 muss somit immer supplementiert werden und auch auf die ausreichende Versorgung mit anderen Nährstoffen wie Vitamin D, Eisen und Kalzium ist zu achten.

Ist die Versorgung mit den essentiellen Nährstoffen gewährleistet, hat das Kind die besten Voraussetzungen für eine ausgezeichnete Entwicklung.

Darüber hinaus profitieren vegane Kinder vom hohen Anteil an Vitaminen, sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen in der pflanzlichen Ernährung. Insbesondere das Risiko Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln – also Krankheiten die mittlerweile in unseren Breiten bereits im Kindesalter dramatisch ansteigen – wird deutlich reduziert.

Wie und wo können sich (werdende) vegane Eltern am besten über Ernährung während der Schwangerschaft und der Zeit danach informieren?

Eine Broschüre zur veganen Ernährung von Kindern, Schwangeren und Stillenden kann bei der Veganen Gesellschaft Österreich gemeinsam mit einigen Beispielplänen heruntergeladen werden. Ausführlichere und sehr hilfreiche Informationen bietet das Buch „Vegane Ernährung. Schwangerschaft, Stillzeit und Beikost. Mutter und Kind gut versorgt.“ von Edith Gätjen und Markus Keller. Für alle, die spezielle Fragen haben, kann auch eine persönliche Ernährungsberatung sinnvoll sein.

Vielen lieben Dank, Katharina, für das wunderbare Interview!

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