Heute ist Weltvegantag und an genau diesem Tag jährt sich mein Leben als Veganerin zum zehnten Mal. 10 Jahre vegan! Unglaublich eigentlich. Höchste Zeit für einen Rückblick, was sich seit 2011 alles bei mir und in der Welt so getan hat.
VEGAN IN 2011
Zehn Jahre sind also vergangen, seit ich diesen Blogbeitrag veröffentlichte. Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, in dem ich entschied es von nun an vegan zu versuchen.
2011 habe ich bereits 12 Jahre vegetarisch gelebt – der Tiere wegen. Was für ein Irrglaube, aber das wusste ich damals noch nicht. Ich begann zuerst Schritt für Schritt den Umstieg auf ein veganes Leben.
Je mehr ich jedoch verstanden habe, dass selbst wenn ich kein Fleisch mehr esse, noch immer unfassbar viele Tiere auch für Milch, Eier und Wolle gequält, ausgebeutet und getötet werden, desto stärker wurde mein Entschluss sofort komplett vegan zu leben. In einer nächtlichen Aktion hab ich schließlich heulend alle Milchprodukte aus dem Kühlschrank in den Mist geschmissen.
Wie war das Leben als Veganerin in 2011?
Sagen wir mal so – vor 10 Jahren musste man vegan zu leben schon sehr wollen und sehr entschlossen sein, das auch durchzuziehen.
Während ich damals als Vegetarierin schon als außerirdisch galt, dachten die meisten, ich wäre nun völlig verrückt geworden. Wie ein Plattenspieler musste ich ständig wiederholen, warum ich keine Tiere essen will, woher ich dann die Proteine bekommen, wie ich ohne Käse leben kann und ob ich das nicht schon ein bissl extrem finde. Extrem fand ich hingegen nur, dass so viele nicht sehen wollten, was ich nun sah. Es hatte schon etwas Matrixesques, dieser Seitenwechsel.
Ich bin weder vegan geboren noch aufgewachsen und wenn du dann dein komplettes Wertesystem über den Haufen wirfst und keiner versteht dich was das soll, dann wird es durchaus bisschen einsam und trist anfangs.
Das war für mich immer das Schwierigste am vegan sein – vegan zu sein in einer nicht-veganen Welt, aber ganz bestimmt nicht der Verlust von Kuhmilchkäse.
Apropos Käse. Was hat man als Veganerin denn 2011 so zu essen gefunden?
Und was gab’s zu essen?
Über Hefeschmelz, Gasthaus Schillinger, gedämpftes Gemüse und Veganomicon.
Direkt am 1.11.2011, an meinem ersten Tag als Veganerin, hab ich zum ersten Mal veganen Kuchen gegessen. Beim Vegan Bake Sale am Stephansplatz. Ich hätte heulen können. Nicht nur deshalb, weil ich geschmacklich keinen Unterschied zwischen veganem Kuchen und nicht-veganem Kuchen schmecken konnte. Auch, weil ich dort andere Veganer:innen getroffen habe und ich mich plötzlich nicht mehr so alleine und unverstanden fühlte.
Es gab Menschen, die die Welt wieder genauso sahen wie ich.
Schritt für Schritt ging es weiter hinein ins neue Leben. Meine Angst nie wieder Süßigkeiten naschen zu können, nur um dann plötzlich herauszufinden, dass Mannerschnitten vegan sind.
Ich fand ein Kochbuch, ach was DIE vegane Kochbibel von damals – die mir die Bedenken nahm und plötzlich für jedes nicht-vegane Gericht eine veganisierte Version offenbarte (na wer kennt’s noch?).
Im Restaurant Formosa in Wien fand ich vegane Burger und Naschzeug. Man konnte also durchaus auch damals schon vegan schlemmen.
Was sich 2011 für mich paradiesisch anfühlte, war in Wahrheit Käsesauce ausschließlich mit Hefeflocken zu fabrizieren, sich über ein oder zwei Sojamilchvarianten im Supermarkt zu erfreuen und die einzige vegane Frühstücksoption in Wien im Rassouli am Yppenplatz in Wien zu feiern als gäbe es kein Morgen!
Bevor es die Swing Kitchen gab, betrieb Familie Schillinger das berühmte vegane Gasthaus in Großmugl. Damals gab es in Restaurants noch Jubelschreie, wenn zumindest gedämpftes Gemüse oder Pommes und Salat als vegane Option möglich waren.
Pflanzenmilchalternativen im Kaffeehaus – das habe ich mich 2011 einen Wiener Kellner nur einmal fragen getraut…
Wie sah es mit tierversuchsfreier & veganer Kosmetik aus?
Vegane und tierversuchsfreie Kosmetik war vereinzelt verfügbar, allerdings nur mit sehr intensiven Recherchen auffindbar. Umso glücklicher war ich, als ich Veggie Love und Kosmetik Vegan fand und mit meinen beiden zukünftigen Bloggerkolleginnen auch endlich Gleichgesinnte auf der Suche nach dem tollsten veganen Lippenstift.
Nur kurze Zeit später gründete ich meinen Blog Once Upon A Cream und schrieb Österreichs ersten und bald bekanntesten veganen Beautyblog.
Natürlich war die Auswahl auch für mich als Städterin im Vergleich zu früher sehr eingeschränkt, aber nach der Umstellungsphase fühlte ich mich dermaßen befreit von diesem Überangebot an Lebensmitteln und Kosmetik. Little did I know wie sehr sich die Welt diesbezüglich innerhalb von 10 Jahren verändern würde…
Zurück in die Zukunft ist nicht umsonst einer meiner Lieblingsfilme. Nun dann, ab in die Zukunft und hinein ins Jahr 2021!
VEGAN IN 2021
Es ist der 1.11.2021. Ich frühstücke gerade wieder ein veganes Frühstück im selben Lokal wie schon vor 10 Jahren damals am Yppenplatz. Das Restaurant Rassouli gibt es allerdings nicht mehr. Dort ist mittlerweile das Cafe Frida eingezogen und bietet als eines von vielen Lokalen in Wien köstliches, veganes Frühstück an.
Was sich in den letzten 10 Jahren essenstechnisch getan hat, hätte ich nicht für möglich gehalten.
Ich bin Aktionärin mit einer für mich symbolisch gekauften Aktie des erfolgreichen Unternehmens für pflanzliche Fleischalternativen Beyond Meat. Diese Aktie steht für mich für das Ende der Fleischproduktion und für die Hoffnung auf einen sprichwörtlichen Kurswechsel hin zu einer friedlicheren Welt für die Tiere.
Ich trage vegane Dr. Martens aus Kunstleder, während ich bei meinem Supermarkteinkauf aus Unmengen an Pflanzenmilchalternativen, veganem Käse, Eiscreme, Süßigkeiten, pflanzlichem Visch, griechischem Joghurt, veganer Salami, Torten und Plunder wählen kann. Was es nicht im Supermarkt gibt, bestellt man online.
Große Fast-Food-Ketten konkurrieren um den besten veganen Burger, haben vegane Donuts und Pumpkin Spice Lattes auf ihren Menüs. Der damals erste vegane Eissalon in Wien hat mittlerweile 12 Shops in der ganzen Stadt. Sogar der bekannteste Schnitzelwirt Wiens lockt neuerdings mit einem veganen Wiener Schnitzel. Es gibt einen veganen Veinkostladen und vor ein paar Wochen hat auch die erste vegane Metzgerei eröffnet.
Vegan verliebt, vegan verlobt, vegan verheiratet
Fast genauso lange wie ich nun vegan lebe, führe ich auch eine Beziehung mit meinem mittlerweile ebenfalls vegan lebenden Mann. Wir haben uns wieder verliebt, verlobt und schließlich auch vegan geheiratet. Ich durfte eine unkomplizierte, gesunde vegane Schwangerschaft erleben, die 2017 dann unser turbulentes, schönes Leben als vegane Familie mit unserem kleinen Sohn begründete.
Mangelerscheinungen – who?
Auf das in Medien und in Social Media Kommentarspalten prophezeite Eintreten von unzähligen Mangelerscheinungen als Folge meiner pflanzlichen Ernährung, warte ich übrigens immer noch. Ganz im Gegenteil wird mir mein jährliches Blutbild nach der Besprechung mit meinem praktischen Arzt meistens mit „Kannst dir wieder einrahmen!“ überreicht.
Es hat sich wie man sieht sehr viel getan in 10 Jahren. Aber nicht für alle sind die Entwicklungen so positiv…
Da war doch noch jemand…
Klingt doch alles paradiesisch, nicht wahr?
Während ich mir die Entwicklung zwischen 2011 und 2021 in Bezug auf die Verfügbarkeit von veganen Optionen in sämtlichen Bereichen (Lebensmittel, Kosmetik und Mode) niemals erträumt hätte, hat sich allerdings für die Tiere kaum etwas zum Besseren gewandelt.
Ihre Situation ist genauso furchtbar wie vor 10 Jahren, wenn nicht sogar noch schlimmer geworden.
Ich erinnere mich, dass für mich vor 22 Jahren die Tiertransporte der Anlass waren meine Ernährung auf vegetarisch umzustellen. Damals wurden die meisten Tiere noch überwiegend innerhalb Österreichs transportiert. Heute werden sie lebend um den gesamten Globus gekarrt und ein Skandal jagt den anderen.
Die Politik hört, sieht und tut nichts, sondern verharrt in alten Systemen und Geschäftsmodellen, die der Markt wohl über kurz oder lang selbst verdrängen wird.
Obwohl in vielen westlichen Ländern der Fleischkonsum tatsächlich sinkt, bleibt die Fleischproduktion gleich bzw. zieht sogar an aufgrund der steigenden Nachfrage nach Fleisch aus Asien. Entweder Betriebe nehmen überdimensionale Größen an und optimieren ihre Tiere, indem sie noch mehr Lebewesen auf weniger Platz produzieren. Sonst können sie den Preiskampf nicht mehr mitspielen. Nur ein etwa 1 % der Schweine in Österreich wird in biologischer Landwirtschaft gehalten.
Obwohl der Großteil der Menschen aber behauptet, äußerst selten Fleisch zu essen und wenn dann nur beim „Bauern von nebenan“ zu kaufen. Wenn ich einen Cent bekäme für jedes Mal wenn ich diesen Spruch höre oder lese…
VEGAN IN 2031
Tiere runter vom Teller!
Ich spüre gerade ganz viel Bewegung in so vielen Aspekten des Lebens der Menschen. Klimakrise, Feminismus, Rassismus – die Menschen werden von Tag zu Tag lauter. Ich möchte bzw. kann keine Prognose abgeben, denn was heute ist hätte ich mir vor 10 Jahren nicht mal annähernd vorstellen können.
Ich kann mir aber etwas für die Zukunft wünschen, und zwar, dass den Menschen folgendes bewusst ist:
Sich von tierischen Produkten abzuwenden und für eine vegane Lebensweise zu entscheiden ist eine enorme Möglichkeit, die Situation für viele schlagartig zu verbessern – für die eigene Gesundheit, für die Tiere, gegen den Klimawandel und damit für die Kinder dieser Erde.
Gleichzeitig ist es aber nicht genug, wen man nicht auch politisch interessiert, engagiert und laut wird. Wählen gehen, Volksbegehren und Petitionen unterschreiben, auf Demonstrationen gehen.
Nur mit Konsum von veganem Eis, werden wir die Welt leider nicht umdrehen, das hätte ich dann nämlich schon geschafft!
Es braucht ganz dringend beides – persönliche & politische Veränderung. Dafür wünsche ich mir und uns eine gute Reise und viel Kraft.
Auf die nächsten 10 Jahre!
Danke für diesen schönen Artikel. Ich bin erst seit 2 Jahren vegan, also in einer Zeit mit durchaus schon vielen Angeboten und Privilegien. 😉
Vielen Dank für deine Rückmeldung! Ja, es hat sich unglaublich viel getan, das ist wunderbar.